Zugang zur Poissonverteilung
Zugang zur Poissonverteilung
erstellt von
Heidi Metzger-Schuhäker, Peter Hofbauer, Gabi Bleier (2008)
Überarbeitung: Kurt Söser (2011)
im Rahmen eines internationalen Projektes von
Medienvielfalt im Mathematikunterricht
(Stand April 2011)
Du erwirbst / stärkst in diesem Lernpfad folgende Kompetenzen
Das kennst du schon
- Werte einer Tabelle grafisch darstellen und interpretieren
- statistische Zentral - und Streuungsmaße berechnen und ihre Bedeutung kennen
- die Begriffe des Zufalls, der Zufallsvariablen und der Wahrscheinlichkeitsfunktion kennen
- Treppenfunktionen zeichnen und ihren Graph interpretieren
Das lernst du
- Übersetzen von einer Realsituation in ein mathematisches Modell
- grafische Darstellung diskreter Zufallsvariable erkennen
- Treppenfunktionen als Graphen von diskreten Verteilungsfunktionen identifizieren
- charakteristische Merkmale einer poissonverteilten Zufallsvariable kennenlernen
- Parameter variieren und die Auswirkung dieser Variation beschreiben
Du stärkst diese Kompetenzen:
- Darstellen, Modellieren: Darstellung von statistischen Daten in Form von Diagrammen;
- Rechnen, Operieren: Statistische Kenngrößen berechnen (relative Häfugikeiten, Erwartungswert,Zentralmaße,...)
- Interpretieren: Die Wahrscheinlichkeit als Instrument zur Modellierung des Zufalls angemessen verwenden bzw. deuten können; Wahrscheinlichkeit als relativer Anteil und als relative Häufigkeit in einer Versuchsserie anwenden und interpretieren können; Die Begriffe Zufallsgröße, Wahrscheinlichkeitsverteilung, Dichte- und Verteilungsfunktion, Erwartungswert sowie Varianz/Standardabweichung verstehen und interpretieren können.
- Problemlösen: Anhand einer Datenmenge ein reales Problem mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung lösen
- Transferieren: Aus einer Beispielsituation ein allgemeines mathematisches Modell erstellen
Informationen zum Einsatz des Lernpfads im Unterricht: Didaktischer Kommentar
Didaktischer Kommentar
Über diesen Lernpfad
Dieser Lernpfad bietet eine kurze Einführung in das Thema diskrete Wahrscheinlichkeits- und Verteilungsfunktionen anhand eines Anwendungsbeispiels. Dabei wird eine Unfallstatistik als Maß der Sicherheit genauer untersucht. Als Alternative zur im Unterricht häufig verwendeten Binomialverteilung wird hier bewusst die Poissonverteilung eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis |
Es gibt nur gute Autofahrer, oder?
Die Behauptung
Die meisten Autofahrer behaupten von sich, dass ihre Fahrkünste nicht schlechter als durchschnittlich sind. Ist das möglich oder handelt es sich um Selbstüberschätzung? Wie kann man die Fahrkünste überhaupt bewerten?
Als Maß der Sicherheit soll die Anzahl der Unfälle gelten, in die ein Fahrer/-in im Laufe des Lebens verwickelt ist. Das bedeutet: Je weniger Unfälle ein Autofahrer/-in in seinem Leben hat, desto sicherer ist er unterwegs, so die Behauptung.
Statistische Auswertung
Da als Maß der Sicherheit die Anzahl der Unfälle gilt, in die ein(e) Fahrer(in) im Laufe des Lebens verwickelt ist, legen wir unserer Analyse eine Unfallstatistik zugrunde. Hier sind die Daten, die die Polizei gesammelt hat: Stichprobe: 100 Fahrer
Anzahl der Unfälle | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 |
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Personen | 6 | 17 | 23 | 20 | 14 | 9 | 4 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 |
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Lösung:
Mittelwert: 3,22
Standardabweichung: 2,63
Anzahl der Autofahrer mit höchstens 3 Unfällen: 66 von 100, also 66%.
Lösung als Excel-Datei
Der Begriff der Wahrscheinlichkeitsfunktion
Als erstes Modell könntest du nun als Beurteilung der Sicherheit eines Autofahrers bzw. einer Autofahrerin die Anzahl der Unfälle, in welche die Person im Laufe ihres Lebens verwickelt war, heranziehen.
Die Zufallsvariable
- Zufallsvariable
Merke:
Eine Zufallsvariable X ordnet jedem Ergebnis eines Zufallsexperimentes verschiedenene, nicht vorhersagbare Zahlen x zu. |
In diesem Beispiel ist die Zufallsvariable X das Maß der Sicherheit eines Autofahrers, es werden hier entsprechend die Anzahlen der Unfälle, also die Zahlen 0 bis 20 zugeordnet.
- diskrete Zufallsvariable
Merke:
Wenn dabei die zugeordneten Werte abzählbar sind, also einem Zählprozess zugrunde liegen, spricht man von diskreten Zufallsvariablen. |
Finde eigenständig weitere Beispiele für diskrete Zufallsvariable! |
Wir wollen nun versuchen, aus der vorliegenden Stichprobe der Polizei etwas allgemeinere Aussagen treffen zu können. Da es sich um eine Stichprobe mittlerer Größe handelt, ist es sinnvoll, sich die relativen Häufigkeiten genauer anzusehen.
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Zufallsvariable (Anzahl der Unfälle) X=x | x=0 | x=1 | x=2 | x=3 | x=4 | x=5 | x=6 | x=7 | x=8 | x=9 | x=10 | x=11 | x=12 | x=13 | x=14 | x=15 | x=16 | x=17 | x=18 | x=19 | x=20 |
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relative Häufigkeiten | 0.06 | 0,17 | 0,23 | 0,20 |
Lösung zu 1:
Approximation der (statistischen) Wahrscheinlichkeit mit Hilfe von relativen Häufigkeiten: Nähern sich bei wachsendem Stichprobenumfang die relativen Häufigkeiten des Eintretens eines Ereignisses E einer bestimmten Zahl p(E) so bezeichnet man p(E) als Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignises E. Man schreibt für sehr großes n.
Diese statistische Definition der Wahrscheinlichkeit findet vor allem dann Anwendung, wenn man kein mathematisches Modell zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit findet. Es handelt sich um eine empirische Größe, die eine große Versuchsreihe voraussetzt, um einen guten „Schätzwert“ liefern zu können. Somit ist die nach dieser Definition die Wahrscheinlichkeit die optimale Prognose der relativen Häufigkeiten.Lösung zu 2:
Die Darstellung mittels relativer Häufigkeiten
- Wahrscheinlichkeitsfunktion einer diskreten Zufallsvariable
Merke:
Unter einer Wahrscheinlichkeitsfunktion f der diskreten Zufallsvariablen X versteht man die Funktion, die den Funktionswerten von X, also den zugeordneten Werten x die Wahrscheinlichkeit p ihres Eintretens zuordnet. |
In unserem Beispiel wird die Wahrscheinlichkeitsfunktion durch die grafische Darstellung der relativen Häufigkeiten dargestellt.
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Lösung:
Wenn man die Darstellung der relativen Häufigkeiten betrachtet, so zeigt sich eine deutlich asymmetrische/schiefe Verteilung. Bei einer zufällig aus der Stichprobe gewählten Person ist der berechnete Mittelwert von 3 Unfällen eine optimale Prognose, der Erwartungswert. Aus der Graphik zeigt sich, dass die meisten Personen eher in wenige Unfälle verwickelt sind. Größere Unfallanzahlen treten hingegen viel seltener auf.
Da Unfälle nur ganzzahlige auftreten können (du kannst nicht 0,3 Unfälle haben) ist es nicht sinnvoll, die einzelnen Werte zu verbinden. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion ist deshalb nur für ganzzahlige nicht negative Werte definiert. Somit haben wir hier ein Paradebeispiel für eine Wahrscheinlichkeitsfunktion einer diskreten ZufallsvariableDie Poissonverteilung
- Poisson-Verteilung
Merke:
Wahrscheinlichkeitsfunktionen mit einer grafischen Darstellung wie jener des Autofahrerbeispiels, wurden nach dem französischen Mathematiker Simeón Denis Poisson (1781–1840) benannt und treten bei sehr seltenen Ereignissen und einer großen Stichprobe auf. Poisson hat erkannt, dass der Verlauf der relativen Häufigkeiten eine Form hat, die an den Graphen folgender Funktion erinnert: Man spricht bei einer stetigen Funktion dieser Form von einer "Trägerkurve" als Annäherung der diskreten Wahrscheinlichkeitsfunktion. Eine diskrete Zufallsvariable X heißt poissonverteilt, wenn gilt: |
Finde durch Probieren mit Hilfe des GeoGebra-Applets eine "Trägerkurve" (Funktion) der oben erwähnten Form, die der Wahrscheinlichkeitsfunktion der Autounfälle möglichst nahe kommt. Variiere dabei die Parameter p und n mithilfe der Schieberegler. |
Der Begriff der Verteilungsfunktion
In der ursprünglichen Aufgabenstellung interessiert uns nicht die Wahrscheinlichkeit, mit welcher ein Autofahrer im Laufe seines Lebens eine bestimmte Anzahl von Unfällen hat. Vielmehr interessiert uns die Wahrscheinlichkeit, mit welcher Zufallsvariable Werte annehmen, die nicht größer als ein fest vorgegebener Wert sind, also ein Autofahrer nicht mehr als zum Beispiel vier Unfälle (mehr als der Mittelwert) im Laufe seines Lebens hat. Man berechnet die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsvariable höchstens den Wert x annimmt, folgendermaßen:
Merke:
Unter einer Verteilungsfunktion der diskreten Zufallsvariablen X versteht man die Funktion |
Jede diskrete Wahrscheinlichkeitsfunktion einer Zufallsvariablen X besitzt als Verteilungsfunktion eine Treppenfunktion F(x), die an den ganzzahligen Werten x Sprungstellen aufweist. Dazwischen verläuft die Funktion konstant.
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Lösung zu 1:
Lösung zu 2:
Lösung zu 3:
Lösung zu 4:
Weitere Aufgaben
Zum Schluss noch weitere Aufgaben, um die neuerlernte Poissonverteilung selbständig anzuwenden:
Ein deutscher Statistiker namens Bortkiewicz führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine versicherungsmathematisch interessante Untersuchung durch: Zu wie vielen tödlichen Unfällen durch Pferdehufschlag kam es in der preußischen Armee? Die folgende Tabelle enthält die Statistik der Unfallopfer von 10 Kavallerieregimentern für einen Zeitraum von 20 Jahren (dies entspricht 200 "Regimentsjahren"). Berechne das arithmetische Mittel und setzte diese Zahl als Parameter in die stetige Poissonverteilung ein´. (da sich der Erwartungswert der stetigen Poissonverteilung aus berechnet).
Vergleiche mit Hilfe einer Tabelle die Werte der relativen Häufigkeiten und der possionverteilten Wahrscheinlichkeitsfunktion! |
Zahl der Todesopfer | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | >4 |
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Zahl der Regimentsjahre | 109 | 65 | 22 | 3 | 1 | 0 |
In Österreich liegt das Brutskrebsriskio bei ca. 0,07%, das heißt von 100.000 Frauen erkranken ca. 70 pro Jahr an Brustkrebs. (vgl. Statistik Austria Berechne mithilfe der Poissonverteilung, die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern
an Brustkrebs erkranken |
Die mittlere Ankunftsrate der Bestellungen per E-Mail auf unserem Server beträgt pro Tag. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass mehr als 8 Bestellungen pro Tag hereinkommen. (Diese Aufgabe kann sehr rasch mithilfe der unten angeführten Tabelle berechnet werden. Mach dich mit dem Umgang mit dieser Tabelle vertraut, es erspart oftmals langwieriges Rechnen!) |
Die Häufigkeit von Kreditausfällen kann näherungsweise durch eine POISSON-Verteilung dargestellt werden. Wie groß ist für ein Portfolio von z.B. n=1000 Krediten mit einer einheitlichen und unabhängigen Ausfallwahrscheinlichkeit von p=1% die Wahrscheinlichkeit, dass es – etwa innerhalb eines Jahres – zu mehr als 2 Ausfällen kommt. |
Weiterführende Links
Wikipedia-Eintrag zur Poisson-Verteilung
Anwendungsbeispiele
Tabellen
Tabelle mit Binomial und Poissonverteilungen für spezielle Werte
Dieser Lernpfad wurde erstellt von:
Peter Hofbauer, Heidi Metzger-Schuhäker, Gabi Bleier |