Wie lange dauern Projekte? - Die Dreiecksverteilung
Peter Hofbauer, Heidi Metzger-Schuhäker, Gabi Bleier
Inhaltsverzeichnis |
Projekte dauern ... wie lange???
Projekte lassen sich zeitlich oft nicht genau planen: Neue Aufgaben benötigen zur Lösung Zeit - wie viel, das ist zu Projektbeginn oft unklar. Im besten Fall ist die Aufgabenstellung bereits aus früheren Projekten bekannt und somit bereits gelöst. Im schlechtesten Fall erweist sich die Aufgabe als so komplex, dass das Projekt irgendwann abgebrochen und die Suche nach einer Lösung der Aufgabe eingestellt wird. Doch normalerweise lassen sich Projekte innerhalb einer angemessenen Zeit abschließen. Idealerweise hat man aus früheren Projekten schon Erfahrungswerte bezüglich der Projektdauer gesammelt und kann diese somit abschätzen.
Die Ausgangssituation
Ein Konzern stellt uns eine Aufgabe, die in einem Projektteam gelöst werden soll. Für die Lösung hat das Team maximal 14 Tage Zeit. Der Projektleiter war bereits früher mit ähnlichen Projekten betraut und schätzt die voraussichtliche Projektdauer auf 10 Tage.
Die Frage
Lässt sich mithilfe der bekannten Zeitangaben eine Methode entwicklen, die es uns ermöglicht, die tatsächliche Projektdauer vorherzusagen? Oder mathematisch formuliert: Können wir die Wahrscheinlichkeit dafür berechnen, dass das Projekt eine bestimmte Zeit dauern wird?
Das Modell
Da der Projektleiter mit einer voraussichtlichen Projektdauer von 10 Tagen rechnet, soll die Wahrscheinlichkeit für die Dauer von 10 Tagen am größten sein. Über die Zeitspanne von 0 bis 10 Tagen bzw. von 10 bis 14 Tagen ist es am einfachsten, eine lineare Zu- bzw. Abnahme der Wahrscheinlichkeit zu modellieren.
Vergleiche das Modell mit den Modellen der diskreten Wahrscheinlichkeitsvereilungen! Welcher grundlegende Unterschied fällt dir auf? |
Lösung
Merke:
Eine Zufallsvariable, die (in einem Intervall) jeden beliebigen Wert annehmen kann, nennt man kontinuierliche Zufallsvariable. |
Finde selbst Beispiele für diskrete und kontinuierliche Zufallsvariable! |
weiter im Modell
Wie sieht die grafische Umsetzung des Wahrscheinlichkeitsmodells aus? Skizziere den Verlauf der Wahrscheinlichkeitsfunktion! |
Lösung
Merke:
Die Wahrscheinlichkeitsfunktion einer kontinuierlichen Zufallsvariablen nennt man Dichtefunktion. |
Vielleicht sind beim Zeichnen der Skizze schon ein paar Fragen aufge- taucht, die man noch genauer klären muss: - Wie sieht die Wahrscheinlichkeit für eine Projektdauer vor dem 0. Tag bzw. nach dem 14. Tag aus? und - Wie laesst sich diese interpretieren?
Antwort:
Da das Projekt ja kaum beendet sein kann, bevor es begonnen hat, muss die Wahrscheinlichkeit für ein Projektende vor dem 0. Tag natürlich 0 sein.
Ähnliches gilt für ein Projektende nach dem 14. Tag. Da man weiss, dass das Team maximal 14 Tage Zeit hat, ist ein Ende des Projekts zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls unmöglich - daher ist auch hierfür die Wahrscheinlichkeit 0.
Die Dichtefunktion soll bei X=10 ihr Maximum haben. Welchen Funktionswert nimmt sie an dieser Stelle an? Ist er beliebig oder gibt es einen einzig möglichen Wert für die konkrete Aufgabenstellung?
Dazu müssen wir uns erst einmal überlegen, wie man aus einer Dichtefunktion Wahrscheinlichkeiten ablesen kann.
Im diskreten Fall war es einfach, die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses in einem bestimmten Intervall zu bestimmen: Addiert man die Einzelwahrscheinlichkeiten aller Ereignisse im gegebenen Intervall, so erhält man die gesuchte Gesamtwahrscheinlichkeit.
Aber wie geht man im kontinuierlichen Fall vor?
Im kontinuierlichen Fall gibt es in jedem Intervall unendlich viele Werte, die die Zufallsvariable annehmen kann. Das Aufsummieren wie im diskreten Fall schlägt damit also fehl. Du hast allerdings die mathematische Idee des Übergangs von diskret zu kontinuierlich bereits kennen gelernt.
In welchem Zusammenhang hast du schon einmal den Schritt von Summen im diskreten Fall zu "Summen" bei kontinuierlichen Prozessen durchgeführt? |
Lösung
Merke:
Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in einem gegebenen Intervall läuft auf die Berechnung der Fläche der Dichtefunktion innerhalb dieses Intervalls hinaus. |
Als Wiederholung zum Thema Integralrechnung siehe gegebenenfalls die Seiten von mathe-online
Wir präzisieren die Fragestellung
Um einmal eine konkrete Aufgabenstellung lösen zu können, stellen wir uns die Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass das Projekt 7 bis 9 Tage dauert.
Um die Frage beantworten zu können, müssen wir - ausgehend von der zuvor bereits erstellten Skizze - die Dichtefunktion auch mathematisch beschreiben können.
Vieles wissen wir bereits über diese Funktion, ein Detail fehlt uns aber noch: der Funktionswert für den 10. Tag, an dem das Projekt mit größter Wahrscheinlichkeit beendet wird.
In diesem Zusammenhang solltest du folgende Frage beantworten:
Wie groß muss die Gesamtfläche unterhalb der Dichtefunktion (d. h. in diesem Fall die Fläche des Dreiecks) sein? |
Lösung:
Die Fläche unterhalb der Dichtefunktion muss 1 sein (irgendein eines aller möglichen Ereignis muss ja eintreten!)
Das bedeutet nun, dass die Höhe des Dreiecks so gewählt werden müssen, dass die Dreiecksfläche genau den Wert 1 ergibt.
Mithilfe der Formel *Dreiecksfläche = halbe Seitenlänge mal zugehöriger Höhe* kannst du selbst das Ergebnis berechnen. |
Überprüfe dein Ergebnis anhand der folgenden Simulation!
Geschafft
Somit haben wir UNSER Projekt bereits gelöst.
Das Berechnen der Fläche unter der Dichtefunktion im Intervall [7;9] sollte dir keine Schwierigkeiten bereiten. |
Lösung:
z. B. lässt sich mittels Strahlensatz die Länge der beiden parallelen Seiten a und c des Trapezes bestimmen:
oder mittels einer linearen Funktion für den Bereich von 0 bis 10: (warum?) und jetzt mittels
Die Antwort
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Projekt nach 7 bis 9 Tagen beendet ist, liegt nach unserem Modell bei ca. 23%.
Dreiecksverteilung
Allgemein nennt man eine Verteilung, welche durch das von uns gewählte Modell entsteht, eine Dreiecksverteilung (warum wohl)?
Die Verallgemeinerung unseres Verteilungsmodells setzt den Startpunkt nicht an die Stelle 0, sondern ganz allgemein an eine Stelle a (= optimistischster Wert, minimaler Wert), den Endpunkt an die Stelle b (= pessimistischster Wert, maximaler Wert) und den Fußpunkt des Dreiecks an eine beliebige Stelle c im Intervall [a ; b] (= vermutlicher Wert, wahrscheinlichster Wert).
Versuche selbst, die Dichtefunktion der Dreiecksverteilung zu definieren! Ein Tipp: Modelliere zuerst die Funktion im Bereich [a ; c] und dann im Bereich [c ; b] und fasse diese beiden Ergebnisse zu einer stückweise definierten Funktion zusammen! Die Lösung führt über die Bestimmung des Funktionswertes an der Stelle c (= der Höhe des Dreiecks). Die nachfolgende Grafik soll dir bei deinen Überlegungen behilflich sein.
|
Lösung:
bzw. wenn man das Ergebnis für h einsetzt:
Um ganz exakt zu sein sollte man die Dichtefunktion auch noch für die Intervalle [-inf ; a] und [b ; inf] definieren. In diesen Bereichen ist die Funktion immer 0 und somit erhält man letztendlich für die Dreiecksverteilung die Dichtefunktion:
Zum Schluss
Was lässt sich über die Wahrscheinlichkeit für einen ganz bestimmten Wert aussagen (bei der Dreiecksverteilung aber auch ganz allgemein bei kontinuierlichen Verteilungen)? |
Lösung:
Versuche es selbst
Das folgende GeoGebra-Applet soll dir bei der Bearbeitung des untenstehenden Arbeitsblattes helfen. Versuche die Aufgaben selbstständig zu lösen und nimm das Applet als Unterstützung zuhilfe.
im WWW
Java-Applet zur Dreiecksverteilung der Uni Konstanz
Eine Zusammenfassung der Eigenschaften der Dreiecksverteilung von der Hochschule Augsburg
Ein Artikel zur Umsetzung der Dreiecksverteilung mit MS Excel (von Rick Hesse, Graziadia Graduate School of Business, Pepperdine University)